EasyVote - Ein hybrides (elektronisch/Papier) Wahlsystem

EasyVote ist das Konzept eines hybriden (elektronisch/Papier) Wahlsystems, das innerhalb des Projekts "Verfassungskonforme Umsetzung von elektronischen Wahlen" entwickelt wurde. Dieses wurde von der "DFG - Deutsche Forschungsgemeinschaft" gefördert.

Motivation

Wahlen unterscheiden sich stark von Land zu Land, aber auch innerhalb jedes Landes;  dabei gibt es verschiedener Arten von Wahlen. Einige haben sehr einfache Stimmzettel mit nur 2 Kandidaten oder nur einer Ja/Nein – Frage, während andere Stimmzettel, zum Beispiel jene für einige Kommunalwahlen in Deutschland, mehr als 500 Kandidaten auflisten und außerdem dem Wähler eine kumulative Stimmabgabe, die Stimme auf mehrere Kandidaten aus unterschiedlichen Wahlvorschlägen zu verteilen und das Ausstreichen von Kandidaten erlauben, was in riesigen Stimmzetteln resultiert (bei der Kommunalwahl 2006 in Darmstadt 27” x 35”), vergleiche Abbildung 1. Die Stimmen von Hand auszuzählen ist sehr fehleranfällig und zeitintensiv, vergleiche Abbildung 2. Das Auszählen bei Kommunalwahlen in Deutschland dauert meistens zwischen vier und sechs Tagen. Dabei gibt es technische Unterstützung für das Auszuzählen, indem man alle Stimmzettel Stimme für Stimme eingibt/abbildet, siehe Abbildung 3. Auch die Stimmabgabe ist fehleranfällig, da Wähler unabsichtlich und ohne es zu merken ihre Stimme als ungültig machen und abgeben könnten. Um die aktuelle Situation zu verbessern, wurde das EasyVote Konzept von Volkamer et. al. vorgeschlagen. Dieses Konzept soll hauptsächlich bei Wahlen mit komplexen Stimmzetteln angewandt werden, kann aber auch auf jede andere Wahl angewandt werden. Außerdem ist EasyVote das einzige Konzept bezüglich eines Wahlsystems, das speziell auf die deutsche Rechtslage in Bezug auf die Benutzung von elektronischen Wahlen bei Kommunalwahlen in Hessen, zugeschnitten ist.

Abbildung 1: Original Stimmzettel der Kommunalwahlen in Darmstadt 2011
Abbildung 2: Manuelle Auszählungsphase für die Lokalwahlen in Hessen
Abbildung 3: Elektronische Auszählungsphase für die Lokalwahlen in Hessen

Konzeptbeschreibung

Abbildung 4: Prozess der Stimmabgabe

Bei der Stimmabgabe, vergleich das Video und Abbildung 4, identifiziert sich der Wähler zuerst gegenüber dem Wahlhelfer, ähnlich wie bei traditionellen papier-basierten Wahlen. Danach betritt er die Wahlkabine und benutzt das elektronische Wahlgerät, um durch das Auswählen der Kandidaten den Stimmzettel zu erstellen. Wenn der Wähler die ausgewählten Kandidaten bestätigt, wird der Stimmzettel ausgedruckt und gleichzeitig werden alle elektronischen Daten (die Auswahl des Wählers) gelöscht. Zu diesem Zeitpunkt sind die Daten von der Wahlsoftware, das heißt auf dem Softwarelevel, gelöscht. Der Ausdruck mit der Auswahl (ausgedruckter Stimmzettel) des Wählers besteht aus 2 Teilen: ein Teil kann vom Menschen gelesen werden, der andere von Maschinen (QR-Code). Dabei enthalten beide Teile genau dieselben Informationen, und der QR-Code leistet und ermöglicht ein automatisches Auszählen der Ausdrucke. Der Wähler überprüft, dass der menschlich – lesbare Teil die Kandidaten enthält, die er vorher ausgewählt hat. Abschließend faltet der Wähler den Ausdruck, verlässt die Wahlkabine und wirft den Ausdruck in die Wahlurne.

Abbildung 5: Auszählungsprozess

Beim Auszählungsvorgang, der in Abbildung 5 repräsentiert wird, öffnet ein Wahlhelfer zunächst die verschlossene Wahlurne und überprüft, ob die Anzahl der Stimmzettel (Ausdrucke) mit der Anzahl der Wähler übereinstimmt. Hierdurch wird ähnlich wie bei einer Papierwahl das 4-Augen-Prinzip angewendet. Dann beginnen die Wahlhelfer mit dem Auszählen, indem sie jeden einzelnen Stimmzettel einscannen. Dabei wird der QR Code gescannt und überprüft, ob sein Inhalt, der auf einem Monitor angezeigt wird mit dem menschlich – lesbaren Teil des Stimmzettels übereinstimmt. Der eingescannte Stimmzettel wird zum Zwischenergebnis, das auf einem zweiten Monitor angezeigt wird, addiert, sobald die Wahlhelfer seinen Inhalt überprüft und bestätigt haben. 

Benutzeroberflächen

Stimmabgabe. Die Bestandteile der Benutzeroberflächen werden in Abbildung 7 beschrieben. Weitere Beispiele, die alle verschiedene Blickpunkte auf die Benutzeroberflächen darstellen, werden unten in den Abbildungen 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14 und 15 dargestellt.

Abbildung 7:Die Komponenten der Benutzeroberfläche der Stimmabgabe-Software
Abbildung 8: Begrüßungsoberfläche
Abbildung 9: Benutzeroberfläche der Stimmabgabe
Abbildung 10: Anzeige der Kandidaten der "CDU" Partei
Abbildung 11: Stimme einem bestimmten Kandidaten geben
Abbildung 12: Tatsächliche Auswahl
Abbildung 13: Suche eines Kandidaten nach Namen
Abbildung 14: Vorschau des Stimmzettels
Abbildung 15: Der Stimmzettel wird gedruckt

Stimmenauszählen. Die Benutzeroberflächen werden in Abbildungen 16 und 17 dargestellt, dabei zeigt Abbildung 16 den gerade eingescannten Stimmzettel (Monitor 1) und Abbildung 17 das Zwischenergebnis (Monitor 2). Weitere Beispiele repräsentieren die wichtigsten verschiedenen Einzelheiten der Benutzeroberflächen in den Abbildungen 18, 19, 20 und 21. 

Abbildung 16: Komponenten der Benutzeroberfläche auf Monitor 1
Abbildung 17: Komponenten der Benutzeroberfläche auf Monitor 2
Abbildung 18: Wahlhelfer loggt sich ein
Abbildung 19: Stimmzettel scannen
Abbildung 20: Eingescannter Stimmzettel
Abbildung 21: Stimmzettel bearbeiten

EasyVote Stimmzettel

Die Bestandteile des Stimmzettels werden in Abbildung 22 aufgeführt. Der Stimmzettels ist im DinA 4 Format gedruckt. Die Abbildungen 23, 24 und 25 zeigen frühere Varianten des Stimmzettels. 

Abbildung 22:EasyVote Stimmzettel (Din A4)
Abbildung 23:Partei "CDU" ausgewählt
Abbildung 24:Kumulieren, Aufteilen der Stimmen und Durchstreichen von Kandidaten
Abbildung 25:Ungültige Stimme in dem die Option "ungültig" ausgewählt wurde

Machbarkeitsstudie

Das Ziel dieser Studie bestand in der Bewertung der technischen Ansätze, die benutzt worden waren, um einen Prototypen basierend auf EasyVote zu erstellen. Der Fokus dieser Studie lag auf dem Stimmabgabeprozess, wohingegen eine Bewertung des Auszählungsprozesses für die Zukunft vorgesehen ist. Um so viele Teilnehmer wie möglich zu gewinnen, entwarfen wir eine einfache Testwahl. In dieser Testwahl wählten die Teilnehmer indem sie ihre Zufriedenheit dem Betreuer mitteilten. Für die Einstufung wählten wir eine LikertSkala mit 5 Stufen (Immer zufrieden – meistens zufrieden – mal ja, mal nein – meistens unzufrieden – immer unzufrieden). Außerdem entwickelten wir Protokolle für den Wahlausschuss (zum Beispiel, Erstellen einer LiveCD mit der  Stimmabgabe Software) und für die Wahlhelfer. Die Ergebnisse der Studie werden in [4] vorgestellt. Abbildung 26 und 27 zeigen die Materialien, die in der Benutzerstudie benutzt wurden; Abbildung 28, 29, 30 und 31 zeigen die angepassten Benutzeroberflächen für die Testwahl.

Abbildung 26: In der Wahlkabine
Abbildung 27: Arbeitsort der Wahlhelfer
Abbildung 28: Willkommen
Abbildung 29: Optionen
Abbildung 30: Vorschau
Abbildung 31: Beenden

Benutzerstudien

Die Benutzerstudien über EasyVote werden in 2 Kategorien unterteilt; die eine Kategorie untersucht das Konzept im Rahmen der Stimmabgabe, die andere im Rahmen der Stimmenauszählung.

Stimmabgabe Software:

Das Ziel dieser Studie besteht darin, die Wähler zu motivieren den Inhalt des ausgedruckten Stimmzettels zu verifizieren um eine die Unversehrtheit des Stimmzettels zu gewährleisten. Da bei EasyVote die ausgedruckten Stimmzettel gezählt werden, hat die Überprüfung seines Inhalts eine direkte Auswirkung auf das Wahlergebnis. Das Ergebnis unserer Studie zeigt, dass durch die von uns entwickelte Anleitung die Zahl der Wähler, die ihre ausgedruckten Stimmzettel überprüfen, signifikant ansteigt. Abbildung 32 zeigt diese entwickelten Anleitungen, Abbildung 33 präsentiert die Zeit und den Ort, wo diese integriert wurden. 
Die Ergebnisse der Studie werden in [5] vorgestellt.

Abbildung 32: Anleitung zur Verfizierung
Abbildung 33: Anleitung auf der Vorderseite des Stimmzettels (Ausdruck)

Wahlgeheimnisbedenken der Wähler durch Verwendung von QR-Codes. Basierend auf einer vorherigen Studie haben Wähler Bedenken bezüglich des Wahlgeheimnisses, wenn sogenannte Paper Audit Trails (PATs / ausgedruckte Stimmzettel) zusätzliche Informationen außer die in menschlich-lesbarer Form ausgedruckten (und ausgewählten) Kandidaten enthalten. Motiviert durch diese Erkenntnisse und dass der EasyVote-Stimmzettel einen QR-Code beeinhaltet, haben wir eine Benutzerstudie mit drei verschiedenen Ansätzen durchgeführt. Im ersten Ansazt (Machbarkeitsstudie) wurden Teilnehmer nicht explizit auf den QR-Code aufmerksam gemacht. Im zweiten Ansazt wurde eine technische Lösung zur Sicherung des Wahlgeheimnisses auch bei Verwendung von QR-Codes den Teilnehmern vorgestellt. Schließlich, im dritten Ansazt, ähnlich zum zweiten Ansazt, wurde den Teilnehmern der zur Verletzung des Wahlgeheimnisses benötigte Aufwand vorgestellt. Das Ziel dieser Studie war herauszufinden, ob es bei den Wählern (Teilnehmern) Bedenken bezüglich des Wahlgeheimnisses durch die Verwendung von QR-Codes gibt. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass unabhängig vom verwendeten Ansazt einige Wähler (Teilnehmer) Bedenken bezüglich des Wahlgeheimnisses haben, wenn QR-Codes auf den PATs/Stimmzettel ausgedruckt werden. Allgemein zeigen die Ergebnisse dieser Studie, dass es zu wenig Forschung im Rahmen von Wahlgeheimnisbedenken bezüglich PATs gibt, obwhol alle elektronsichen Wahlsysteme PATs (auch wenn in verschiedenen Arten) verwenden. Insbesondere mehr Forschung ist notwending, um Mentale Modelle der Wähler bezüglich Wahlgeheimnisbedenken besser zu verstehen, und eine geeignete Lösung, welche deren Mentalen Modelle entsprechen würde, zu finden. Die Ergebnisse dieser Studie werden in [6] vorgestellt.

 

Auszählungssoftware:

Das Ziel dieser Studie besteht darin, zu zeigen, dass der Auszählungsprozess mit EasyVote effizienter und genauer als ein traditionelles Auszählen ist. 
Dieses Ergebnis wurde bestätigt. "a < b" definiert, dass Fall "a" schneller und genauer ist als "b", während "a ≤ b" definiert, dass "a" ungefähr so schnell und akkurat ist wie "b". Die ist ein abstrakter Überblick der Ergebnisse der Studie: "Auzählen aller Stimmzettel (EasyVote Stimmzettel) mit EasyVote ≤ Auszählen nur veränderten Stimmzetteln (EasyVote Stimmzettel) mit EasyVote < Auszählen nur veränderten Stimmzetteln (EasyVote Stimmzettel) mit PC-Wahl < Auszählen nur veränderten Stimmzetteln (original Kommunalwahlen Stimmzettel) mit PC-Wahl." PC-Wahl ist ein elektronisches Auzählungssystem, wo veränderte Stimmzettel (Stimmzettel, bei denen Wähler ihre Stimme wenigstens einem Kandidaten direkt vergeben haben) eingegeben und aufgenommen werden.

  • Für diese Studie entwickelten wir entsprechendes Übungs- und Ausbildungsmaterial für die Wahlhelfer. Dieses basiert auf den original Unterlagen, die bei Wahlen in der Stadt Darmstadt verwendet werden. Die Wahlhelfer wurden einen Tag vor dem Auszählen ungefähr 30 Minuten eingewiesen. Das eigentliche Auszählen fand am nächsten Tag nach der Einweisung statt.
  • Die Ergebnisse dieser Studie wurden einer Konferenz vorgelegt und werden zur Zeit überprüft. Abbildung 34 und 35 zeigen Bilder, die während der Auszählung mit EasyVote aufgenommen wurden.
Abbildung 34: EasyVote Auszählungsphase 1
Abbildung 35: EasyVote Auszählungsphase 2

Publikationen

  1. Vote casting device with VV-SV-PAT for elections with complicated ballot papers
    Melanie Volkamer, Jurlind Budurushi, Denise Demirel
    In:International Workshop on Requirements Engineering for Electronic Voting Systems (REVOTE'11) , p. 1-8, IEEE, August 2011. ISBN 978-1-4577-0951-7.
  2. Elektronische Kandidatenauswahl und automatisierte Stimmermittlung am Beispiel hessischer Kommunalwahlen
    Maria Henning, Melanie Volkamer, and Jurlind Budurushi
    In:Die Öffentliche Verwaltung (DÖV), no. 20, October 2012.
  3. Vote Casting in Any Preferred Constituency:A New Voting Channel
    Jurlind Budurushi, Maria Henning and Melanie Volkamer
    In: Steve Schneider, James Heather, Vanessa Teague: 4th International Conference on e-Voting and Identity (VoteID13), vol. 7985, vol. Lecture Notes in Computer Science, p. 61-75, Springer, July 2013. http://www.voteid13.org/
  4. Implementing and evaluating a software-independent voting system for polling station elections
    Jurlind Budurushi, Roman Jöris and Melanie Volkamer
    Journal of Information Security and Applications (2014), dx.doi.org/10.1016/j.jisa.2014.03.001
  5. Introducing Precautionary Behavior by Temporal Diversion of Voter Attention from Casting to Verifying their Vote
    Jurlind Budurushi, Marcel Woide and Melanie Volkamer
    In: Workshop on Usable Security (USEC2014), ISBN Number (Digital Format) 1-891562-37-1
  6. Paper Audit Trails and Voters' Privacy Concerns
    Jurlind Budurushi, Simon Stockhardt, Marcel Woide and Melanie Volkamer
    In: T. Tryfonas and I. Askoxylakis: LNCS, Human Aspects of Information Security, Privacy and Trust, vol. 8533, p. 400-409, Springer International Publishing Switzerland, June 2014.
  7. Feasibility analysis of various electronic voting systems for complex elections
    Jurlind Budurushi and Melanie Volkamer
    In: International Conference for E-Democracy and Open Government 2014, Edition Donau-Universität, May 2014.
  8. Implementation and Evaluation of the EasyVote Tallying Component and Ballot
    Jurlind Budurushi, Karen Renaud, Melanie Volkamer and Marcel Woide
    In: EVOTE2014: Verifying the Vote Ten-Year Anniversary Conference, Lochau/Bregenz, Austria, October 2014.
  9. An Investigation into the Usability of Electronic Voting Systems for Complex Elections
    Jurlind Budurushi, Karen Renaud, Melanie Volkamer and Marcel Woide
    In: Journal of Annals of Telecommunications: The role of telecommunications in electronic voting, Vol. 71, issue 7, pp. 309-322, Springer Paris, April 2016. ISSN 0003-4347, dx.doi.org/10.1007/s12243-016-0510-2

Flyer

Der EasyVote Flyer steht hier zum Download bereit.